„Abwrackprämie ist nicht nachhaltig“

Kfz-Innungsmeister Hans Jörg Koßmann über den Wechsel aufs E-Auto und das Warten auf Werkstatttermine. 

Herr Koßmann, viele Kfz-Werkstätten in Bremen arbeiten so gut wie am Limit mit einer Auslastung von 90 Prozent. Können sie überhaupt noch Neukunden aufnehmen?

Hans Jörg Koßmann: Wir sind in den Werkstätten nach wie vor gut ausgelastet. Ich glaube, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht und uns ganz gut aufgestellt haben. Wir können Verbrenner und E-Autos reparieren. Das macht sich jetzt bemerkbar, denn die Arbeiten sind heutzutage umfangreicher geworden. Früher war es Mechanik, die man schnell reparieren konnte. Heute ist das schwieriger – mit Online-Updates und ganz anderen Zusammenhängen. So braucht ein Navigations-Update zum Beispiel drei bis vier Stunden, und das bricht dann zwischendurch ab.

Wie lange sollten die Menschen idealerweise auf einen Werkstatttermin warten?

Bei normalen Wartungsarbeiten und anderen, die nicht so dringend sind, sollten wir idealerweise wieder auf etwas zwischen 14 Tagen und drei Wochen zurückkommen. Das wäre für alle auch nachvollziehbar und planbar. Ein alter Spruch meiner Großmutter und meines Großvaters lautet: „Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist.“ Wer dann acht Wochen auf seinen Werkstatttermin wartet, kommt in der Zeit ins Grübeln, fragt sich, ob das überhaupt sein muss und lässt es dann womöglich mit der Reparatur.

Die Menschen halten weiterhin an ihren Autos fest, statt neue zu kaufen. Was sollte die neue Bundesregierung anpacken, damit die Menschen sich vielleicht mehr für ein neues Auto interessieren – vielleicht sogar für ein E-Auto?

Diese Verunsicherung spürt man einfach im kompletten Handel. Die Verbraucher fragen sich, was sie sich in Zukunft kaufen sollen. Auf lange Sicht gesehen werden wir am Elektroauto nicht vorbeikommen. In China sind bereits 50 Prozent der Neuzulassungen reine Stromer. Die kleinen Märkte in Skandinavien sind bei einer E-Auto-Quote zwischen 80 und 90 Prozent. Die sind aber nicht maßgeblich für Deutschland, Frankreich und die anderen großen Märkte. Da muss man für die Verbraucher mehr Sicherheit reinbringen bei der Frage, wie es weitergeht. Wenn der Staat fördern will, will er mit Prämien nur die Hersteller oder tatsächlich den Kunden fördern?

Mit einer Abwrackprämie?

Das ist ein Mittel, das nicht der Nachhaltigkeit dient. Wir haben heutzutage nachhaltige Fahrzeuge, die halten ja alle viele Jahre. Es muss etwas sein, das Planungssicherheit für alle bedeutet. Dazu gehört auch, dass die Städte es mit der Ladeinfrastruktur hinbekommen. Genauso sage ich jedem Kunden, der ein E-Auto kaufen möchte, dass er sich vorher erst nach den elektrischen Leitungen vor seinem Haus erkundigen muss. Eine solche Leitung zu legen, kann nämlich auch schnell mal 10.000 Euro kosten. Da lohnt sich manchmal kein E-Auto.

Darüber denken viele nicht nach.

Ich glaube, E-Autos werden in Zukunft immer längere Reichweiten schaffen. Und vielleicht werden die auch nicht mehr so spacig gebaut mit viel Licht und so, sondern sehr viel funktionaler. Dabei müssen wir einen vernünftigen Weg finden, wie man das Ganze in den nächsten Jahren etablieren kann.

Schauen wir nach Bremen: Wie klappt es inzwischen online mit der Anmeldung und Ummeldung von Autos?

Ich hatte gerade erst ein Gespräch mit der Zulassungsstelle. Wir sind da jetzt runter auf eine Woche Wartezeit auf einen Termin. Wir wollen da als Ziel weiter runter auf „von einem auf den anderen Tag“. Jetzt muss auch das Business-Handling im Bürgerservicecenter mit der neuen EDV laufen. Das ist auch in Ordnung, wenn sie da eine neue EDV haben, dass man die zum Laufen bringen muss. Dafür haben wir als Kfz-Innung Verständnis. Und auf der anderen Seite haben wir von unserer Seite auch nochmals alle sensibilisiert, dass wir auch vollständige Unterlagen für die Zulassung einreichen. Manchmal fehlt einfach die EVB-Nummer oder der Ausweis ist nicht leserlich. Dazu haben wir Checklisten rausgebracht und alle verschickt. Es muss jetzt spürbar besser werden. Wir als Kfz-Innung wollen da mit der Zulassungsstelle auch ein Miteinander und kein Gegeneinander.

Was kann die Bremer Regierung ansonsten für die Kfz-Werkstätten tun – neben der Kritik über die geplante Ausbildungsabgabe?

Die Ungleichbehandlung zwischen akademischer Ausbildung und der der dualen Ausbildung muss enden. Da spreche ich jetzt mal für alle Gewerke. Wir haben marode Berufsschulen, wir reden seit zehn bis 15 Jahren darüber, was getan werden muss. Wenn Studenten Bafög bekommen, warum erhalten das nicht auch Auszubildende? Wir reden über einen Klimacampus, der am teuersten Ende der Stadt gebaut wird, also der Überseeinsel. Da können doch besser Wohnungen hin für gut situierte Menschen, damit die Steuergelder sprudeln. Aber da gehört kein Berufsschulzentrum hin. Da wird weiterhin aber nur davon gesprochen. Wenn man gleichzeitig sieht, dass innerhalb kürzester Zeit die juristische Fakultät in eines der teuersten Gebäude von Bremens Innenstadt umzieht, sitzen unsere Azubis aus dem Handwerk immer noch in Gebäuden, in denen mit Eimern das Wasser aufgefangen wird, das durch die Decken kommt. Da stimmt also etwas nicht.

Also mehr Gleichbehandlung.

Und wenn der Bürgermeister davon spricht, dass die Leute mehr Sicherheit haben wollen – wer macht denn die Stadt sicher? Sicher macht das Handwerk diese Stadt, weil wir den Leuten Arbeit anbieten, weil wir den Leuten Perspektiven bieten, weil sie dann eben nicht auf dumme Gedanken kommen, weil wir sie mitnehmen. Das Handwerk zu unterstützen ist also der Schlüssel des Ganzen. Und deshalb komme ich immer auf die Berufsschulen und auf die duale Ausbildung zurück. Da wird der Zug schon fast ganz durch sein, wenn wir da nicht endlich das Ruder wieder rumreißen. Aber ständig wird das Geld gekürzt, das dann lieber für andere Sachen da sein soll.

Wie zum Beispiel bei der Meisterprämie.

Wir brauchen einfach mehr Geld – aber losgelöst von so einer Ausbildungsabgabe, die ja nun plötzlich alles richten soll, als ob sie der heilige Gral ist. Was wir brauchen, ist Bildung, Bildung, Bildung – aber angefangen bei der Schulbildung und der frühkindlichen Bildung.

Bei Ihren Reden zum Neujahrsempfang nehmen Sie seit Jahren kein Blatt vor den Mund. Welches Thema liegt Ihnen in diesem Jahr noch am Herzen?

Wir müssen die Ärmel hochkrempeln. Ohne Abstriche in unseren Besitzständen zu machen und ohne aus unserer Wohlfühlzone rauszukommen, werden wir die Karre hier nicht aus dem Dreck rauskriegen.

Sind wir Deutschen zu satt geworden?

Nicht unbedingt. Aber die Gesellschaft wird meiner Ansicht nach veräppelt von den Politikern, die vermitteln, dass das Ganze nichts kostet – weder der Ukraine-Krieg noch die Schulmiseren oder auch die Flüchtlingspolitik. Wir müssen doch endlich mal jemanden haben, der uns klipp und klar sagt, was das alles kostet – auch wenn es unpopulär ist. Aber diese Ehrlichkeit spürt man nicht, und das macht uns doch unzufrieden. Wir müssen jetzt eventuell drei bis vier Jahre durch ein tiefes Tal gehen, aber wir können nicht weitermachen wie bisher.

Das Gespräch führte Florian Schwiegershausen.